Kennst du das, wenn du ein Sachbuch liest und den Eindruck hast, dass du das perfekte Buch genau zum richtigen Zeitpunkt liest und du gerne den Autor:innen bei jeder zweiten Seite danken möchtest, weil sie genau die Fragen aufgreifen, die dich gerade beschäftigen? So ging es mir bei meiner Urlaubslektüre des 2. Buches von Danielle Graf und Katja Seide.[1] In den letzten Wochen hat unsere Tochter, bald 7, nicht nur ihren ersten Milchzahn verloren, sondern auch allerlei Entwicklungsschritte durchlebt, die sich eins zu eins im Buch wiederfinden. Sei es der vermehrte Wunsch nach mehr Autonomie (selbstständig das Brötchenfrühstück vorbereiten inklusive Gang zum Bäcker mit dem kleinen Bruder, alleine mit dem Fahrrad von der Kita nach Hause fahren etc.) oder das heimliche Mitnehmen von Spielzeug anderer Kinder: Im Buch von Danielle Graf und Katja Seide habe ich nicht nur interessante neurowissenschaftliche Informationen, sondern praktische Anregungen und ermutigende Impulse zu alltäglichen Situationen…

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Beziehungslernen erscheint mittlerweile als ein fester Begriff und in den letzten Wochen ist er immer präsenter und greifbarer geworden. Beispielsweise in dem unglaublich spannenden Vortrag von Nina Bremm zur Fachtagung der DKJS zu Schulen in herausfordernder Lage, in dem nochmal ganz deutlich wurde, welchen Einfluss gelingende Beziehungen auf die Gesundheit aller Beteiligten haben. Sei es das virtuelle Lernatelier von Intushochdrei oder einfach nur der Hastag: Beziehungslernen ist nicht mehr wegzudenken. Nun stellt sich für die Praxis gleich viele Fragen: Wie kann ich im Rahmen des Regelschulsystems aktiv Beziehungslernen gestalten? Mit welchen Methoden und Gestaltungsmöglichkeiten kann ich im oft stressigen Schulalltag wirklich in Beziehung zu treten? Für mich ist die gewaltfreie Kommunikation dafür ein sehr praktisches Tool, denn sie liefert Haltung und konkrete Formulierungshilfe in einem. In der Podcastfolge #084 des Podcasts zur Zirkus- und Theaterpädagogik von und mit Mark Kitzig erläutere ich das Ganze etwas genauer.

Im Anschluss an eine Hospitation wird eine Unterrichtsstunde gemeinsam mit der zukünftigen Lehrkraft in Bezug auf unterschiedliche Faktoren ausgewertet. Grundlage sollte dabei immer der wertschätzende Blick auf einen individuellen Entwicklungsprozess und die höchst unterschiedlichen Rahmenbedingungen sein (Verhältnis zur fachbegleitenden Lehrkraft, Einsatz an der Ausbildungsschule, private Umstände, Ausbildungskontext, Verhältnis zum Fachleiter/der Fachleiterin etc.). Auch wenn ich diese Gespräche nun nicht mehr führe, so höre ich mich doch noch so oft nach der ersten Stunde sagen: „Versuchen Sie, Ihre Rückmeldungen mehr zu variieren, auch mal durch Gestik und Mimik!“ Also versuchten die Referendar:innen dann in der Folgestunde variantenreicher zu loben : „ Très bien! Super! Correct! Voilà! C’est ҁa!“ und nickten und lächelten verhalten oder auch mal deutlicher. Während ich das hier aufschreibe, wird mir nochmal viel bewusster, wie absurd das eigentlich war. Ich würde heute diese Empfehlung nicht mehr so aussprechen, schon allein, weil wir als Berufseinsteiger:innen so viele Erwartungen erfüllen…

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Pünktlich zum Jahreswechsel rückt nicht nur das Halbjahreszeugnis in den Blick der Lehrkräfte, sondern -zumindest in Thüringen- auch das anstehende Lernentwicklungsgespräch (LEG) eines jeden Lernenden bis einschließlich Klasse 9. An diesem Gespräch nehmen neben dem Lernenden mindestens eine sorgeberechtigte Person sowie in der Regel der Klassenlehrende teil. Ziel ist der Austausch über den Lernstand des Kindes auf der Grundlage einer Selbsteinschätzung sowie der gebündelten Fremdeinschätzung durch die Lehrkraft. Es wird mindestens eine Zielstellung formuliert, die dann wiederum zum Schuljahresende oder spätestens zum nächsten LEG evaluiert wird. Nun kann man zunächst einmal wertschätzend bemerken, dass es doch mehr als fortschrittlich ist, dass es neben dem Ziffernzeugnis in der Regelschule[1] sogar ein gesetzlich verankertes individuelles Beratungsgespräch gibt, in dem die Selbstkompetenz der Lernenden in mehrfacher Hinsicht gefördert wird und der Lernprozess so langfristig und nachhaltig in den Blick genommen wird. Oder man macht ein kleines Unterhaltungsexperiment und erwähnt das Wort LEG bei…

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Es ist der letzte Schultag und während die Schüler*innen mit ihren Zeugnismappen im Ranzen jubelnd durch die Schultür gen Ferien stürmen, treffen sich alle Lehrer*innen zur letzten Dienstberatung des Schuljahres. Mitunter herrscht eine heitere Stimmung, Erleichterung über das Geschaffte und teilweise auch große Erschöpfung und Traurigkeit über Kolleg*innen, Referendar*innen oder Praktikant*innen, die verabschiedet werden. Es gibt Blumen, Präsente und Lob. Das zurückliegende Schuljahr wird nochmal querbeet durch die Fachschaften beleuchtet. Welche Plätze haben Schüler*innen beim städtischen Basketball- oder Fußballturnier belegt? Welche Fremdsprachenwettbewerbe wurden erfolgreich bewältigt? Vielleicht gab es sogar einen Geschichtswettbewerb oder ein anderes medienwirksames Projekt, das nochmal hervorgehoben werden soll? Welche Chorauftritte und Theateraufführungen bleiben im Gedächtnis? Den vielen beteiligten Kolleg*innen, die sich über ihr normales Stundendeputat hinaus mit Aufwand, Zeit, und Organisationen engagiert haben, wird Dank ausgesprochen. Je nach Schulleitung und Redner*in kann das Lob eher spartanisch ausfallen („Nicht kritisiert ist genug gelobt“) oder etwas ausführlicher. Dann gibt…

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Zu Beginn der letzten Sommerferien, an die sich eigentlich eine Elternzeit anschließen sollte, werde ich auf eine Ausschreibung aufmerksam: Programmmitarbeit für die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung im Projekt „Erfolg macht Schule“, in dem Einzelschulen in vielfältiger Form in ihrem Schulentwicklungsprozess begleitet werden. Meine Vision, in einer Organisation mit Schulbezug tätig zu sein und gleichzeitig selbstständig Workshops und Coaching anzubieten, wird auf einmal ganz konkret. Ich bewerbe mich. Es ist die erste Bewerbung seit Jahren und ich lese erstmal nach, wie mittlerweile Lebensläufe und Anschreiben verfasst werden. Zu den letzten 9 Jahren kann ich kein Arbeitszeugnis vorlegen, höchstens den Beurteilungsbogen aus meiner letzten Beurteilungsrunde 2014, in dem die Kreuze, zumindest in Thüringen, mehr oder weniger so gesetzt werden, wie sie den Schulleiter*innen  durch die Administration prozentual vorgegeben werden, aber das ist ein anderes Thema. Für Sie immer noch Du! Voller Vorfreude bereite ich mich auf das Gespräch vor, zu dem ich…

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Ich gehe sehr gern zum Abiball. Es bietet die Gelegenheit mit Kolleg*innen entspannt zu essen, anzustoßen, zu lachen und zu tanzen- wenn auch manchmal nur zu DJ Youtube. Meist ist es ein Abend, an dem sich unterhaltsam und fröhlich erinnert, den Lernenden das Du angeboten wird und Lehrende, Eltern und junge Erwachsene sich oft so ein letztes Mal begegnen. Diese Begegnungen sind mitunter von einer besonderen Nähe, Dankbarkeit und Wertschätzung geprägt und haben Gänsehautpotenzial. Es gibt auch bei mir jedes Mal den Moment, in dem ich traurig bin, weil der Abiball auch ein Abschied von der gemeinsamen Zeit ist. Dieser Wechsel von Leichtigkeit, Fröhlichkeit und Traurigkeit ist intensiv und ich bedaure, dass es dieses Jahr keinen solchen Abschluss geben konnte. Minutenzählen, Vokabeltests und Co. An einem dieser Abende kam Marie auf mich zu, die ich in Klasse 9 und 10 im Französischunterricht begleitete. Unsere Zusammenarbeit war zu Beginn von häufigen…

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Ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen. Ich ging als 5jährige mit meiner Mutter in den Wald an einen Bach, wir warfen unsere Schuhe auf die andere Seite und unser Weg zurück führte nur übers Wasser. Wie aufregend, wie mutig, wie lebendig! Dieses Gefühl hatte ich immer dann, wenn ich einen Graben überquerte. Nach einem Moment des Zögerns der Sprung auf die andere Seite und dort schien es dann auf einmal ganz leicht. In meiner frühen Jugend fand ich es mutig, ohne Hilfen über den Schwebebalken zu gehen (das habe ich bis heute noch nicht gemacht!) oder über den Bock zu springen (nachdem meine Sportlehrerin 6 Wochen lang äußerst geduldig wartete, bis der große Tag kam- jedes Jahr aufs Neue!). Es war für mich mutig, wenn ich etwas Kritisches im Unterricht äußerte, das davor auch andere im Stillen kritisierten, dann aber nichts mehr dazu sagten. Seitdem vergingen…

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Heute nutze ich meinen Blog für ein Seminar mit Caroline Winning, auf das ich mich ganz besonders freue! Denkst du auch zuweilen nach banalen Situationen lange darüber nach, was du dem anderen am liebsten alles gesagt hättest? Fühlst du dich manchmal sprachlos und nicht mit dir verbunden? Überkommen dich bei scheinbar harmlosen Begegnungen starke Gefühle? Schwelen Konflikte in dir weiter, obwohl nach außen alles geklärt scheint? Mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation kannst du dich nicht nur mit anderen klarer, authentischer und einfühlsamer verbinden, sondern vor allem mit dir selbst achtsam und wertschätzend in Beziehung treten. Dabei bieten die 4 Schritte der GFK eine Möglichkeit, Beobachtungen von vorschnellen Bewertungen oder moralischen Urteilen zu trennen und die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, die im Moment da sind. Es geht weniger darum, die 4 Schritte methodisch abzuarbeiten und wie ein Werkzeug zu benutzen, sondern die dahinterstehende Haltung zu erfahren. Indem ich Verantwortung für meine…

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Vor einigen Monaten, wahrscheinlich ist es schon ein Jahr her, sitze ich mit einer guten Freundin im Café und erzähle ihr mal wieder Anekdoten aus meinem Schulalltag, in denen ich mich hilflos erlebe und unzufrieden bin. Meine Freundin reagiert empört und schockiert. „Mensch Rebi, schreib doch mal einen Blog !“ Diese Idee wird mich nicht wieder loslassen und doch verwerfe ich sie zunächst für eine ganze Weile. Wen würde interessieren, was ich an einem normalen Gymnasium erlebe? Was davon möchte ich teilen und vor allem mit welchem Ziel? Gibt es nicht schon zahlreiche Blogs von Lehrer*innen und Schüler*innen? Füllen satirische oder furchtbar ernste Darstellungen des hiesigen Schulsystems von (ehemaligen) Lehrer*innen nicht bereits Regale in den Buchhandlungen?  Gibt es nicht auch schon zahlreiche Initiativen und Anregungen, wie konstruktiv und lösungsorientiert bestimmten Schwachstellen begegnet werden kann? Braucht es dann wirklich nochmal die x-te Berichterstattung? Ein paar Wochen später habe ich unzählige Gespräche…

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10/10