Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) wurde von Marshall M. Rosenberg entwickelt und entstand- aufbauend auf den Erkenntnissen der humanistischen Psychologie Carl Rogers- aus Rosenbergs Auseinandersetzung mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den frühen 1960ern. Rosenberg, der selbst Psychologie studierte und besonders von den Ideen der Gewaltlosigkeit Mahatma Gandhis beeinflusst wurde, beschäftigte sich dabei mit zwei grundsätzlichen Fragen: Was passiert, wenn die Sprache von Menschen durch Vorwürfe, moralische Urteile und Beziehungsabbrüche geprägt ist? Wie kann eine Sprache auch in herausfordernden Momenten verbindend, einfühlsam und wertschätzend bleiben? Aus seinen Beobachtungen und Forschungen bildete sich schließlich als Antwort die Sprache der Gewaltfreie Kommunikation heraus, die Rosenberg weltweit in Trainings vermittelte und in tw. kriegerischen Konfliktsituationen als Mediator zur Anwendung brachte. Die GFK fußt dabei auf einer Reihe von Grundannahmen und bietet darüber hinaus eine konkrete Orientierungs- und Formulierungshilfe mit ihren 4 Schritten.
Was meint gewaltfrei?
Der Begriff der Gewaltfreiheit, der dem indischen Sanskrit-Wort „Ahimsa“ entlehnt wurde, stößt mitunter auf Irritationen, weil die meisten zunächst an körperliche Gewalt denken. Rosenberg verstand darunter jedoch auch verbale Gewalt in Form von Beschämungen und Verurteilungen. Er verwendete später selbst den Begriff der lebensbereichernden Sprache bzw. Sprache des Lebens.
Was steckt hinter der Haltung der GFK?
Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Mensch von Natur aus ein Wesen ist, dass nach Verbindung mit anderen strebt und „Freude am einfühlsamen Geben und Nehmen“[1] empfindet. Jeder Mensch, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Kultur, hat dem Leben dienende Bedürfnisse. Alles, was Menschen in jedem Augenblick tun, soll dazu dienen, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Dabei wählen wir Strategien, von denen wir glauben, dass sie erfolgsversprechend sind. Jeder Mensch tut also zu jeder Zeit das Beste, was ihm in diesem Moment möglich ist. Das anzuerkennen, ist mitunter erstmal ungewohnt und nicht so zu verstehen, dass ich die Handlungsweisen des anderen bedingungslos billige. Vielmehr geht es darum, die Motivation (die Bedürfnisse) von konkreten Handlungen und Verhalten (Strategien) zu trennen. Dies ermöglicht mir, mich mit dem Bedürfnis hinter dem Verhalten zu verbinden, mit meinem Gegenüber einfühlsam in Beziehung zu treten und mich gleichzeitig klar zu dem möglicherweise herausforderndem Verhalten zu positionieren. Zwischenmenschliche Konflikte entstehen schließlich auf der Ebene der Strategien und nicht auf der Ebene der Bedürfnisse. Die Annahme, dass Strategien sehr flexibel sind, neu erlernt und stets verändert werden können, ermöglicht uns die Entwicklung von neuen Handlungsalternativen. Inwiefern ein Bedürfnis erfüllt oder nicht erfüllt ist, zeigen uns unsere Gefühle. Diese werden von Handlungen anderer ausgelöst, jedoch nicht verursacht. Jeder (Erwachsene) trägt selbst die Verantwortung für seine Gefühle und die Erfüllung seiner Bedürfnisse.
Was sind die 4 Schritte der GFK?
Rosenberg empfiehlt 4 Schritte, die uns helfen, uns so auszudrücken, dass gelingende, vertrauensvolle Beziehungen zueinander gestärkt und dass wir verstanden werden. Dabei geht es nicht per se darum, sich mithilfe der Schritte auszudrücken. Sie dienen ebenfalls dem empathischen Einfühlungsprozess in mein Gegenüber und vor allem als Selbsteinfühlung.
- Was entspricht meiner Wahrnehung? Der erste Schritt dient dazu, die Beobachtung eines wahrnehmbaren Verhaltens oder einer konkreten Äußerung von bewertenden Gedanken zu trennen.
- In einem zweiten Schritt versuche ich meine in diesem Moment lebendigen Gefühle zu spüren. Dabei geht es darum, echte Gefühle (z.B. traurig) von Vorwürfen, getarnt als Scheingefühle (z.B: Ich fühle mich ausgenutzt), zu trennen.
- Mit Hilfe der Gefühle versuche ich nun herauszufinden, welches Bedürfnis gerade erfüllt oder nicht erfüllt ist.
- Daraus kann im letzten Schritt eine Bitte an mich, mein Gegenüber oder jemand anderen resultieren. Diese muss nicht unbedingt eine Handlungsbitte sein, sich aber von eienr Forderung unterscheiden.
[1] Rosenberg 2016, S. 17.