Was kann ich tun, wenn ich mich am Arbeitsplatz nicht mehr wohlfühle und zuweilen frustriert bin, weil ich nicht selbstwirksam, autonom, authentisch und verbunden bin? Ich kann mich hinsetzen, mir Vor- und Nachteile meines Jobs überlegen und anschließend eine Entscheidung treffen. Wenn die Vorteile überwiegen, kann ich mir das bewusst machen, bleiben und Wege suchen, am aktuellen Arbeitsplatz etwas zu ändern. Wenn die Nachteile vorherrschen, kann ich kündigen und mir etwas Neues suchen. Ok, das ist jetzt keine Jahrhunderterkenntnis, ich weiß.
Aber was mache ich, wenn ich nur einen Beruf gelernt habe und den seit 12 Jahren ausübe und es auf den ersten Blick keine Alternative gibt? Wenn ich in einem maximal sicheren Beamtenverhältnis mit entsprechender Bezahlung bin? Z.B. als Gymnasiallehrerin? Sobald ich nach dem Abwägen zu der Erkenntnis komme, dass ich mir einen neuen Job suchen will, fängt es meistens erst an, richtig problematisch zu werden. Da kommt das Buch von Isabell Probst genau richtig. Auch wenn ich in meinem eigenen Veränderungsprozess schon ziemlich weit war, so fiel es mir mithilfe ihres Buches leicht, eine klare Entscheidung zu treffen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Es ist eine Art Coaching-Buch für Lehrer*innen. Obwohl die Autorin offen über ihren eigenen Ausstieg und Neuanfang schreibt und damit auch persönliche Einblicke in eigene Ängste, Glaubenssätze und Zweifel gewährt, so führt die Lektüre nicht zwangsweise zur Kündigung, ganz im Gegenteil. Genau das finde ich so gelungen daran. Einerseits zeigt Isabell Probst klar Probleme des Lehrerberufs auf, angefangen beim Lehramtsstudium über das Referendariat, das Image des Berufs oder das System Schule an sich. Andererseits macht sie an mehreren Stellen deutlich auf Vorzüge aufmerksam und welche Beweggründe für den Lehrerberuf sprechen können. Sie verharrt nie im Jammer- und Anklagemodus, wie es vielleicht aus manchen Lehrer*innengesprächen nachklingt.
Im zweiten Teil des Buches geht es um konkrete Hilfe zur Selbsthilfe und wie ich als unzufriedene Lehrkraft wieder ins verantwortungsbewusste Handeln komme. Auch an dieser Stelle zeigt sie innerschulische Alternativen auf und benennt Risikofaktoren eines Ausstiegs beim Namen. Isabell Probst gibt ganz praktische Tipps, vielfältige Informationen und fundierte Hintergründe. Bei vielen Aspekten habe ich mich ertappt gefühlt und innerlich zugestimmt (Wie, ich muss mich selbst um meine Altersvorsorge kümmern?). Nichtsdestotrotz habe ich häufig über humorvolle Formulierungen geschmunzelt und das Buch innerhalb kürzester Zeit durchgelesen.
Vielleicht eröffnen sich Leser*innen Wege, innerhalb des staatlichen Systems zu bleiben oder freie Schulen als neuen Arbeitsort zu wählen, weil sie in ihrem Lehrer*innenberuf bestätigt werden. Ich habe mich für die Kündigung und ein Hybridmodell entschieden: eine Teilzeittätigkeit als Angestellte im Bereich der Schulentwicklung und selbstständig als Trainerin. Die Kündigung an sich war tatsächlich unspektakulär: Antrag schreiben, beim Schulleiter abgeben und 2 Wochen später postalisch die Bestätigung erhalten.
Das Buch ist für den Selfpublishing-Buchpreis 2020 in die Top 10 gewählt und ich drücke die Daumen!