Echt jetzt, noch ein Artikel über Feedback? Ist dazu nicht schon alles gesagt und geschrieben? Auch Mechthild Erpenbeck stellt fest: „Zu Feedback ist schon so viel gesagt worden, dass es einem gleichsam zu den Ohren rauskommt. Dennoch ist und bleibt Feedback das wichtigste Instrument, um Vertrauen zu ermöglichen.“ [1] Für das Thema Feedbackkultur werde ich immer wieder für Fortbildungen angefragt und schnell zeigt sich, dass eigentlich alle schon irgendwie wissen, wie das geht. Doch gleichzeitig wird in der Prozessbegleitung deutlich, wie schwer es ist, Feedback wirksam zu implementieren. Dabei begegnen mir immer wieder ähnliche Herausforderungen, um die es im Folgenden gehen soll.
Allem Anfang wohnt … eine Überwindung inne
Wenn das Thema Feedback in einer Organisation bedeutsam wird, weil es Kommunikationsprobleme gibt, Einzelpersonen das Thema auf die Agenda setzen oder es sich ins Leitbild eingeschlichen hat ohne in der Realität gelebt zu werden, dann bilden Fortbildungen einen soliden Einstieg. Darin wird im Anschluss an gängige Kommunikationsmodelle vermittelt, wie ein wertschätzendes und konstruktives Feedback nach der 3W-Regel zu formulieren ist. Diese besagt, dass ein bestimmtes beobachtbares Verhalten einer anderen Person (Wahrnehmung) ein eher negatives Gefühl ausgelöst wird, weil ein oder mehrere Bedürfnisse nicht erfüllt sind (Wirkung). Daraus leitet sich ein Wunsch für ein verändertes Verhalten ab. Die Gewaltfreie Kommunikation lässt freundlich grüßen.
So weit, so schwer: Schon beim ersten W wird es herausfordernd, denn eine Beobachtung von einer Bewertung zu trennen bzw. Verhalten so präzise und sachlich wie möglich zu beschreiben, ist besonders im zwischenmenschlichen Bereich gar nicht so leicht. Schließlich sind wir in irgendeiner Form emotional betroffen oder aber können es gar nicht so genau beschreiben. „Du reagierst ähm unfreundlich ähm ich meine also nicht direkt unfreundlich, aber eher so abweisend, wenn ich eine Frage habe. Also du guckst dann so … grimmig also so halt.“
Für das zweite W, die Wirkung, muss ich zunächst mich selbst, meine Bedürfnisse, meine Trigger und meine Arbeitsweise gut kennen, um sie benennen zu können. Welches Bedürfnis ist denn nun betroffen? Inwiefern beeinflusst es mich in meiner Arbeitsweise oder betrifft es mich emotional? Hinzu kommt, dass es im Arbeitsalltag immer noch nicht normal ist, Bedürfnisse und Gefühle zu benennen und als relevante Einflussgröße anzuerkennen. Wenn ich mein Bedürfnis reflektieren kann, dann ist das für den dritten Schritt, den Wunsch, sehr hilfreich. Mit diesem geht jedoch die Frage einher, inwiefern mein Gegenüber das Verhalten überhaupt ändern kann (und abgesehen davon, will).
Und jetzt gebt euch alle schön ein Feedback!
Wie geht es nach der einführenden Fortbildung weiter? Hier gehen Organisationen ganz unterschiedliche Wege. Während die einen es eher den Teams überlassen, einen Weg fürs Feedback zu finden und allen Freiräume ermöglichen, versuchen andere, Strukturen zu etablieren, indem sie Formate entwickeln und eine gewisse Verbindlichkeit schaffen. Damit diese angemessen und tatsächlich genutzt werden, braucht es allem voran psychologische Sicherheit, wie sie von Amy C. Edmondson[2] beschrieben wird. Es braucht Räume, in denen ich mich als Person als sicher erlebe, in denen ich Ideen gleichermaßen äußern kann wie Fragen, Einwände oder Sorgen, ohne mit Sanktionen oder anderen negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Das klingt vielleicht selbstverständlich, aber dazu tragen auch erfüllte Bedürfnisse wie Gesehen werden, Anerkennung, Wertschätzung und Akzeptanz bei. Wann darf ich mich wirklich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen zeigen und so sein? Gibt es einen festen etablierten Raum, in dem Feedback geäußert werden darf, gemeinsame Absprachen getroffen werden und unter Kolleg:innen ein Austausch auf Augenhöhe stattfindet?
Auch Kim Scotts Ansatz der wohlwollenden Ehrlichkeit (radical condor)[3] setzt hier an. Für ein konstruktives Feedback braucht es neben Aufrichtigkeit vor allem eine Verbundenheit, die sich aus Wertschätzung und Zugehörigkeit speist. Letztlich zählt dazu auch, dass mir mein Gegenüber nicht gleichgültig ist und ich auch darauf achte, ob die andere Person Signale der Bereitschaft für ein Feedback sendet oder die Affektlage gerade eine andere ist. Diese Verbundenheit brauche ich auch mit mir selbst, um nicht aus einer emotional erregten Stimmung heraus oder maximal tiefgekühlt in einen Feedbackprozess einzusteigen.
Genau hier liegt jedoch die Krux bei der Implementierung von Feedbackprozessen. Ich brauche zunächst Vertrauen, um Feedback geben und nehmen zu können. Gleichzeitig schafft Feedback Vertrauen, siehe Mechthild Erpenbecks Zitat zu Beginn. Es braucht folglich Instrumente, um sichere Räume zu schaffen und eine gewisse Verbindlichkeit in der Initiierung der Feedbackprozesse. Sicherheit gibt neben einem gemeinsamen Committment zu bestimmten Haltungsaspekten auch ein fester Rahmen. Das kann z.B. ein durch die Organisation vorgegebener Rhythmus oder ein festgelegtes Zeitfenster ebenso sein wie ein Gesprächsleitfaden, der mithilfe von Notizen als Struktur verwendet wird. Dazu zählt ein Check-In für solche Gespräche sowie Feedback auf der Metaebene nach jedem Gespräch: Wie ging es mir im Prozess, was war (nicht) hilfreich? Auch ein fest etabliertes Feedback zu Beginn einer Teamsitzung mag anfangs etwas gestellt wirken („Mir fällt gar nichts ein …“), ist aber gleichzeitig eine Gelegenheit für positives Feedback und ein toller Übungsraum, der wiederum Vertrauen für Situationen schafft, in denen ich ein kritisch-konstruktives Feedback äußern möchte.
Lernen am Modell
Gebe ich als Personalentwicklung in einer Organisation gar keinen Rahmen vor, dann mag das selbstorganisiert arbeitenden Teams entgegen kommen, damit diese ihre eigene Struktur finden. Doch aus meiner Sicht ist es sinnvoll und wichtig, zunächst einen verbindlichen Rahmen zu schaffen, um Prozesse zu etablieren.
Nun ist nicht allein die HR dafür verantwortlich, dass Feedback nicht nur auf der Homepage glänzt, sondern auch gelebt wird. Hier kommt den Führungskräften eine wichtige Aufgabe zu. Wenn diese z. B. eher Feedback vermeiden, aus welchen guten Gründen auch immer, dann sind sie damit ein Vorbild für ihr Team. Wenn die Führungskraft Harmonie bevorzugt und Konflikte lieber vermeidet, dann werden auch die Teammitglieder sich entsprechend verhalten oder aber destruktiv vorangehen. („Wenn jetzt niemand mal was sagt, dann mach ich das eben in aller Deutlichkeit!“) Die Verantwortung, die im Raum schwebt, ohne klar übernommen worden zu sein, wird dann von einer Person informell übernommen, zu deren Aufgabe es eigentlich gar nicht gehört.
Doch auch eine Führungskraft, die findet, dass Feedback völlig überbewertet wird, verhindert mit dieser Haltung Entwicklung und Lernprozesse. Dann werden Fortbildungen pro forma absolviert und der Effekt verpufft schon direkt zum Ende der Veranstaltung. Der gute Wille einzelner Teammitglieder ist dann auch irgendwann erschöpft.
Schließlich kann es auch passieren, dass eine Führungskraft jede Feedback, egal wie konstruktiv, sanft und vorsichtig formuliert, direkt als persönlichen Angriff und In-Frage-stellen der Leitungsposition empfindet. Dann herrscht eher Angst als psychologische Sicherheit und die Führungskraft meint fehlende Rückmeldungen schlimmstenfalls als Zufriedenheit zu missdeuten. Dabei ist gerade für Führungskräfte konstruktives Feedback wichtig und umso seltener, desto weiter „oben“. Mechthild Erpenbeck spricht hier vom „Aufstiegs-Paradox“[4]: Ich bin zunächst auf Feedback angewiesen, um aufzusteigen. Desto mehr Macht und Verantwortung ich habe, um so weniger erhalte ich Rückmeldungen.
Es ist nicht persönlich gemeint, aber …
Nun gehört zum Feedbackgeben immer eine Gegenüber dazu. Wenn ich ein Feedback wertschätzend formuliert habe, weiß ich trotzdem nicht, ob die Person es ebenso auffasst und was mich nun als Reaktion erwartet. Meistens wird das in Fortbildungen auch weniger in den Fokus genommen und bleibt als unsichere Variable im Raum. Ich kann natürlich sagen, dass ich das nicht persönlich meine oder mein Gegenüber das nicht persönlich nehmen soll, doch schon mit dieser Einleitung kann ich mir dessen sicher sein. Wie kommt das?
Möglicherweise ist das eine wilde These, aber ich sehe hier kindliche Bildungsprozesse in der Verantwortung. Meist sind wir spätestens seit der Schulzeit mit einer eher negativen Fehlerkultur sozialisiert worden. Fehler führen zu Punktabzug und schlechteren Noten, sind mitunter besetzt durch beschämende Erfahrungen. Zu selten werden Fehler in der Schule als etwas Wichtiges im Lernprozess, als etwas Normales und Positives betrachtet. Hinzukommt, dass wir vor allem zu Sachkompetenzen Rückmeldung erhalten und andere Kompetenzen immer noch zu stark ausgeklammert werden. Oftmals sind wir es nicht gewöhnt, uns zu unserem Verhalten Rückmeldungen auszusprechen, Verhalten und Person strikt zu trennen und eine Innenschau („Das löst dein Verhalten bei mir aus.“) zu liefern. Außerdem bekommen Heranwachsende selten Kooperation und Wertschätzung unter Erwachsenen vorgelebt, weil Lehrkräfte meist allein unterrichten.
Wenn es dann im Erwachsenen-Sein zu Feedbacksituationen kommt, dann fallen wir entweder wieder in ein kindliches, verletztes Ich zurück oder aber wissen nicht, wie wir damit erwachsen und konstruktiv umgehen können. Wenn Schule Feedbackprozesse fernab eines Defizitblickes und schlechter Noten ganzheitlich etablieren würde[5], dann würde eine positive Fehler- und Feedbackkultur viel einfacher und flächendeckender in Unternehmen umgesetzt werden können. Dazu gehört dann auch ein transparenter Umgang mit Ergebnissen aus Feedbackprozessen, damit andere davon profitieren und lernen können. Meist sind kritisch- konstruktive Rückmeldungen und die Idee, einen Fehler gemacht zu haben, jedoch so schambesetzt, dass die Lernmomente nicht geteilt werden.
Die Kundenmeinung ist besonders (n)wichtig, oder?
Zum Schluss möchte ich noch einen Blick auf den Umgang mit Kundenfeedback werfen, denn das liegt uns allen natürlich besonders am Herzen. Was passiert, wenn mir ein Kunde ein schlechtes Feedback gibt, vielleicht sogar noch destruktiv? Dann kann ich es ganz klassisch abstreiten, emotionslos mitteilen, dass „ich es zur Geschäftsführung mitnehme und mich bedanke,“ um es anschließend gedanklich in den Papierkorb zu werfen. Denn ich will ja nicht, dass meine Leitung erfährt, dass ich einen Fehler gemacht habe oder aber es ist Unternehmenskultur, dass Feedback nicht ausgewertet und wirklich gehört wird.
Statt etwas abzustreiten, kann ich nachfragen und paraphrasieren, was bei mir angekommen ist. Das ist generell ein guter Weg, um sich rückzuversichern, das Gegenüber wirklich verstanden zu haben. Wenn es ein persönlicher Angriff wird, dann kann ich erstmal durchatmen. Klaus Nowak schlägt vor: „Während Sie sich Kritik anhören, hilft es oft, sich vorzustellen, dass Ihr Gegenüber seine Kritik vor Ihnen auf den Boden wirft und nicht ins Gesicht oder ins Herz.“[6] Um die GFK noch einmal freundlich grüßen zu lassen, hilft auch empathisches Nachfragen, der Perspektivwechsel und ein „und“ statt das rechtfertigende „Aber“, das wieder relativiert und mitunter beschämend wirkt. Manchmal braucht es durchaus eine Abgrenzung, ohne die Beziehung abzubrechen. „Ich danke Ihnen für Ihre Rückmeldung und verstehe Ihren Ärger. Ich wünsche mir, dass wir darüber konstruktiv ins Gespräch kommen.“
Wenn du Feedback in deiner Organisation etablieren möchtest und auf der Suche nach einer Weiterbildung oder Prozessbegleitung bist, dann nimm Kontakt mit mir auf oder melde dich unter 0157/53086300! Gemeinsam entwickeln wir ein passgenaues Format, das nachhaltig wirkt.
[1] Mechthild Erpenbeck 2022, S. 160. Erpenbeck, Mechthild (2022): Mitschwingen und Dazwischengehen. Systemisch-gruppendynamische Prozesskompetenz in Beratung und Training. Heidelberg. S. 160.
[2] Edmondson, Amy C. (2020): Die angstfreie Organisation. Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen. München.
[3] Der Begriff der radikalen Ehrlichkeit trifft laut Kim Scott im Vorwort der 2. Auflage weniger den Kern des Wohlwollens und der Wertschätzung, um den es ihr geht.
[4] Erpenbeck, Mechthild (2022): Mitschwingen und Dazwischengehen. Systemisch-gruppendynamische Prozesskompetenz in Beratung und Training. Heidelberg. S. 160.
[5] Hier gibt es spannende Ansätze, die dem entgegen wirken, doch um die soll es hier nicht gehen.Z.B. Peer-to-Peer-Evaluation, Selbstevaluation oder kooperative Lernformen.
[6] Nowak, Claus (2021): Konflikte in Organisationen erkennen, analysieren und lösen. Neumünster. S. 178.